Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont wodurch es in den Wäldern Trikrus noch ein bisschen dunkler und schummriger war als ohnehin schon. Orange strahlen brachen hier und da durch das Blätterdach und wurden durch Blütenstaub in der Luft sichtbar, tauchten den gesamten Wald in ein geisterhaftes Licht. Als das Sonnenlicht ihn traf, warf er einen langen Schatten. Unter ihm ging sein Pferd im Schritttempo voran und zu seiner linken ritt der Commander, zu ihrer Linken Indra, eine enge Vertraute von Lexa. Der Blick seiner schwarzen Augen wanderte aufmerksam über die Umgebung, ohne dabei nervös zu wirken. Er war wachsam, aber nicht ängstlich. Es war sein Job, den Commander zu beschützen und auch wenn Astor kom Trikru seine Aufgabe und die damit einhergegangene Entscheidung, einen Eid abzulegen, in den letzten Wochen mehr und mehr hinterfragte, ja gar anzweifelte, so war er dennoch niemand, der halbe Sachen tat. Er nahm seinen Job ernst, seine Aufgabe als persönliche Leibwache der Heda. Egal was er von ihren Entscheidungen hielt, er würde tun was man ihm sagte. Sich gegen sie zu stellen wäre sinnlos, ihre Meinung zu ändern ebenfalls und ausserdem glaubte Astor, dass Lexa zumindest mit dem Wohl ihrer Leute im Herzen handelte. Weswegen sie also die neuen Skaikru-Eindringlinge, die mitten im Wald gelandet waren, nicht einfach niederwalzte wie Azgeda es vor ein paar Wochen noch versucht hatte, das verstand er nicht. Genauso wenig wie er verstand, warum Lexa zugelassen hatte, dass Azgeda in ihr Gebiet einmarschierte – tief einmarschierte, nicht nur an den Grenzen – und ihr Problem für sie zu lösen versuchte. Sah sie denn nicht, dass das ein Akt der Aggression seitens der Königin Nia war? Sah sie nicht, dass Nia dadurch versuchte Lexas Stand als Anführerin ihrer Leute zu untergraben? Und es klappte, denn in Polis wurde das Flüstern immer lauter, immer penetranter, immer unausweichlicher. Die Leute fragten sich, ob Lexa überhaupt geeignet war, ob sie nicht vielleicht doch zu jung und naiv, zu gutherzig und gnädig war. Die Commander vor ihr hätten mit den Skaikru nämlich kurzen Prozess gemacht, hätten sie den Erdboden gleichgemacht, ohne mit der Wimper zu zucken. Aber Lexa war ja so viel anders als die Commander vor ihr. Sie war ja so gut und so auf ein friedliches Miteinander bedacht, deswegen hatte sie auch die Koalition ins Leben gerufen, eine Entscheidung, die Astor auch heute noch nicht so richtig verstand. Clans wie Azgeda und Sangeda gehörten nicht in eine Koalition mit Trikru und all ihren Verbündeten. Sie waren Feinde, ein Dorn in ihrer Seite. Und Astor dachte schon lange, dass die Heda einfach zu schwach war. Sie hatte nicht das Zeug um eine Anführerin zu sein. Doch er würde sich davor hüten etwas zu sagen, denn Astor wusste auch, dass er es in einem Kampf niemals mit ihr aufnehmen könnte. Sie hatte die Ausbildung eines Nightbloods genossen, war mit Kampf und Tod grossgeworden und hatte die Erfahrungen aller vorherigen Commander, die sie leiten konnten. Er war nicht dumm. Er war sicherlich ein bisschen überheblich und Arrogant, aber er würde diese Dinge nicht sein Ende sein lassen. Denn in erster Linie war er ein Überlebenskünstler und sein eigenes Wohl war ihm wichtiger als das Wohl der Allgemeinheit, oder wie auch immer man es nennen wollte. Er würde also noch eher abhauen, sich von seinem alten Leben verabschieden, als sich gegen den Commander zu stellen in einem Versuch, sie zu bekehren.

Ihre Pferde fielen in einen Trab und bald schon rückte das Camp der Jugendlichen in ihr Sichtfeld. Sie waren hier, weil es einmal mehr einen Vorfall mit diesen Rotzgören gegeben hatte. Einer ihrer eigenen Leute war von ihnen attackiert und verletzt worden und so hatte Lexa in all ihrer Güte und Umgänglichkeit entschieden, dass sie mit den Anführern der Mini-Skaikru reden wollte. Erneut eine Entscheidung, die Astor einfach nur hinterfragen konnte. Wieso reden, wenn man auch einfach zweihundert Mann losschicken und das Camp dem Erdboden gleichmachen könnte? Tötet sie alle oder nehmt sie gefangen um sie auf dem Sklavenmarkt für einen guten Preis zu verkaufen. Das war die Option, die er sinnvoller fand, ja gar nachvollziehbarer. Nach all den Problemen, die sie mit den Mountain Men nun gehabt hatten, war es einfach nur dämlich und naiv, dass sie diese Jugendlichen hier in frieden leben und sich ausbreiten liessen. Zumal Astor sich sicher war, dass sie nur ein Vorbote waren, dass ihre ganzen Leute, ihre Krieger beispielsweise, ihnen folgen würden. Vielleicht nicht heute, morgen oder nächste Woche aber definitiv bald. Und was dann? Dann waren aus knapp einhundert unfähigen Kindern tausende Krieger geworden und wie gut Lexa sich damit anstellte, das konnten sie ja jeden Tag im Bezug auf Azgeda beobachten.
Ihre Pferde kamen vor dem Eingang zum Stehen und Lexa stieg ab, gefolgt von Indra und schliesslich auch Astor, der elegant wie eine Raubkatze vom Rücken seines Pferdes glitt und der Heda folgte. Eine Hand lag dabei auf dem Heft seines Schwertes und neben dem Commander blieb er stehen. Sie verlangte, mit den Anführern zu sprechen und über die Barrikaden hinweg konnte Astor zahlreiche grosse, überraschte und ängstliche Augenpaare sehen, die sie anstarrten, als wären sie der Tod persönlich und für diese Jugendlichen waren sie das vielleicht auch. Hinter dem Tor tat sich etwas, aufgeregte Stimmen redeten durcheinander und dann wurden die Tore geöffnet und die drei Trikru traten ein. Die kalten, schwarzen Augen des Trikru-Kriegers wanderten wieder, scannten die Umgebung. Was er sah war Erbärmlichkeit. Zelte aus geflickten Stoffen reihten sich aneinander, notdürftig gebaute Vorratshütten würden mit dem nächsten grossen Sturm weggefegt werden und die Hälfte der hier anwesenden war zu klein, zu dünn, zu schwach und zu eingeschüchtert um irgendwas von Bedeutung anzustellen. Kurz fragte er sich, ob Indra, Lexa und er nicht ausreichen würden, um diese ganzen Kinder verschwinden zu lassen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass irgendeiner von ihnen seinen Mann stehen könnte gegen sie drei. Andererseits hatten sie von dem Krieger gehört, dass sie Schusswaffen hatten und mit diesen Teufelsdingern war nicht zu spassen, das wusste selbst er.

Die Anführer der Jugendlichen liessen wohl auf sich warten, aber einer der Skaikru stellte sich breit grinsend vor sie hin und bedachte sie mit einem herablassenden Blick. "Ich werde dann eure Waffen einsammeln, wir wollen ja nichts riskieren und hier gelten unsere Regeln" liess er in einer nervigen Stimme verklingen und Astor zog herausfordernd eine Augenbraue nach oben. Der Jugendliche scannte alle drei, von denen keiner auch nur Anstalten machte, seine Waffen abzugeben. Dann blieb sein Blick an Astor hängen und vielleicht war es ja einfach mal wieder sein Aussehen, seine eher weichen, jugendlichen Gesichtszüge, die den Anderen dazu veranlassten, zuerst auf ihn zuzukommen. Vielleicht dachte er, dass Astor kaum älter als er selbst war und somit die kleinste Bedrohung unter den dreien. Der Kerl machte Anstalten nach seinem Schwert zu greifen und Astors Augen verengten sich. "Versuch auch nur mich oder mein Schwert anzufassen und ich werde dich ausweiden wie das erbärmliche Schwein, das du bist" sagte er und bewegte sich aber ansonsten keinen Zentimeter, stand wie immer selbstbewusst und furchtlos dort. Der Jugendliche hielt inne und schaute etwas überrascht und erschreckt zu Astor, doch schien er sich schnell zu sammeln und wollte gerade zu Widerworten ansetzen, da wurde er von der Stimme seines Anführers unterbrochen und wandte sich um, um diesen anzuschauen. Doch Astors Blick klebte noch immer kalt und mörderisch an ihm. Erst als der Kerl sich entfernte, löste er den Blick von ihm und liess diesen wieder etwas wandern, während Lexa den Anführern des Camps erklärte, warum sie hier waren. Um sie herum standen all diese Leute, die sie misstrauisch beäugten. Er schaute in blaue grüne und schwarze Augenpaare, die seinen eigenen glichen. Er sah angewiderte und angsterfüllte Gesichtsausdrücke, manche davon waren gar etwas neugierig. Als er Blickkontakt mit einem langhaarigen, dunkelblonden Mädchen mit grossen, blauen Augen herstellte, erschreckte sie sich so fest, dass sie die Kräuter, die sie in den Händen gehalten hatte, fallen liess und diese direkt wieder aufzusammeln versuchte. Dummes Kind, schoss es ihm durch den Kopf und er wandte den Blick wieder ab, damit sie nicht noch tot umfiel vor Angst.

Die nächsten Minuten waren Rasant. Die Skaikru waren sichtlich unglücklich darüber, dass sie hier waren und noch unglücklicher über den Grund, aus welchem sie hier waren. Der Schuldige wurde rausgebracht und fing direkt an sich mit einem anderen Kerl zu kabbeln. Mehr und mehr wurde Astor bewusst, dass es in diesem Camp von bodenloser Dummheit und grenzenloser Unfähigkeit nur so wimmelte. Mehr als einmal tauschte er einen vielsagenden Blick mit Indra und Lexa aus; doch keinen Moment lang liess er ihre Umgebung komplett aus den Augen, nur für den Fall der Fälle, dass einer dieser Goblins auf die Idee kommen sollte, etwas Dummes zu tun. Die Kabbelei artete in eine Prügelei aus und Lexa stellte endlich die Forderung, für die sie hergekommen waren. Astor musste seine Mimik aber kontrollieren, musste sich kontrollieren um nicht in haltloses Gelächter auszubrechen, als sie ihre Forderung stellte. Eine Verbannung. Sie forderte eine Verbannung, wo Blut hätte gefordert werden sollen. "Jus drein Jus daun…" murmelte er mehr zu sich, wusste aber, dass zumindest Lexa die Worte gehört hatte, denn sie warf ihm einen warnenden Blick zu, den er selbst mit einem kühlen Funkeln erwiderte. Die Skaikru waren währenddessen damit beschäftigt sich zu streiten, bevor schliesslich der Entscheid kam, dass sie den Täter verbannen würde, wie der Commander es verlangt hatte. Viel mehr Worte bedurfte es kaum, kurz darauf wandten sie sich bereits zu dritt ab und verliessen das Camp wieder, stiegen auf ihre Pferde und ritten in den Wald, eine Erfahrung reicher und in Astors Fall mit noch mehr Zweifel an der Heda.